Vom homo sapiens zum homo urbis
1. Vorwort
Jede gedankliche Arbeit ist wie eine Arbeit an einem grossen Gemälde. Man beschliesst aus einem holzschnittartigen Schwarz und Weiss mit nuancenreichen Farben weiter zu arbeiten – ein Entschluss zu vermehrtem Aufwand und gezielter Suche. Die Leitidee legt man in Skizzen und Notizen fest, in möglichst reiner schwarz weisser Darstellung, es folgt die erste Farbgebung, die bereits ein vielfältigeres Bild entstehen, aber noch viele Details offen lässt. Es ist der Moment, die eigene Arbeit öffentlich bekannt zu machen, denn nun beginnt die Farbgebung.
Die Leitidee entstand aus der Beobachtung, dass selbst in dieser vernetzten, technisierten und gefühlsarmen Welt die Grundlagen zwischen Grossstadtmenschen und Bewohnern ländlicher Gegenden trotz einheitlicher Schulung und gleicher Informationstechnik die Flut der Informationen unterschiedlich verarbeitet werden. Dabei sind nicht nur die natürlichen Charakterunterschiede von Bedeutung, sondern wesentlich gesteuert werden die Überlegungen durch vorhandene Werte der jeweiligen ländlichen oder urbanen Umgebung.
Viele selbstverständlichen Errungenschaften des modernen Lebens sind auf dem Lande schwieriger zu benutzen, als in Agglomerationen. Alle Kulturinstitute, alle Spitäler und alle Hochschulen befinden sich in der Stadt. Auch die Verwaltungen und Einkaufszentren usw. Wesentlich für die Wahl des Lebensraumes ist ein enger Bezug zum Atem der Natur, zu Freiräumen ohne Kunstbauten, zu einfachen Gemeinsamkeiten oder eben zu einem Leben der getriebenen Betriebsamkeit in der Menge, in Kunstbauten und ständigem Verkehr. Wetter, Jahreszeiten, Pflanzen sind sekundär, denn der Blick aus dem Fenster, wie ihn der Bauer täglich wirft, bietet dem Städter wenig Informationen. Freiraum, Arbeitsangebot, Wohnraum, soziale und ärztliche Hilfe, Vergnügungsmöglichkeiten in der Freizeit usw. beeinflussen daher die Ortswahl.
Doch man wählt dabei auch den Typus des zukünftigen Bürgers. Hier beginnen fundamentale Unterschiede der Sicht auf das, was Leben ist. Zivilisatorische Massnahmen, wie Förderung des öffentlichen Verkehrs, um den Kontakt zwischen den beiden Möglichkeiten des Seins zu erleichtern, ändern dabei wenig. Das Leben auf dem Lande bleibt elementarer, während die städtische Kultur immer stärker in eine technisch-merkantile Welt abgleitet. In einem kleinen Dorf kennen sich alle beim Namen und man nimmt Anteil am Leben des Nachbarn. In der Stadt kennt man kaum seine Etagennachbarn. Das Dasein denaturiert sich. Da heute bereits um 70% der Menschheit in städtischen Agglomerationen leben, wird sich die Menschheit anders entwickeln als bis zum Jahre 2000. Seine eigenen, natürlichen Möglichkeiten genügen ihm nicht. Der Mensch potenziert seine Kräfte durch Maschinen und seine Intelligenz durch Computer. Er korrigiert dabei das natürliche Gleichgewicht der Kräfte, um künstlich mehr zu erreichen. Es besteht die akute Gefahr, dass er sich selbst zerstört, denn heute hat er die Mittel. Selbst der Bauer arbeitet heute mit industriellen Produkten, um ein Mehr aus seinem Boden zu gewinnen. Der Stadtmensch lebt in einer vollen Kunstwelt eigener Schöpfung.