Vom homo sapiens zum homo urbis

5. Die Stadt wird Schwergewicht

Wohl erkannten bereits in den Anfängen dieser Entwicklung weise Persönlichkeiten die zerstörerische Kraft, die in dieser materiellen Gier und in diesem egozentrischen Denken und Handeln verborgen ist. Philosophisches und religiöses Gedankengut sind das Stiefkind des homo sapiens seit Anbeginn. Wohl haben sie an Einfluss vor allem im Mittelalter zugenommen, wurden mit der Aufklärung teils reaktiviert und verkümmern mehr und mehr im 20. JH des Materialismus. Mit der technischen Revolution ist ein seltsamer Grössenwahn geboren worden; alles scheint machbar geworden zu sein, nicht nur die Kräfte zu potenzieren, sondern den Menschen technisch zu überwinden, zum Beispiel in der Genom-Forschung, der Cyborg-Technik oder allgemein in den Biowissenschaften. Lebewesen, die geboren werden durch die Vereinigung von Mann und Frau, sind nicht mehr der alleinige Ursprung von Leben, nicht Yin und Yang. Leben ist eine Frage des materiellen und politischen Bedarfs geworden, angewandt als Wertmassstab in Konsum- und Produktionsfragen, somit anpassungsfähig. Selbst der Tod wird eine materielle Grösse. Bei jeder kriegerischen Planung ist die Anzahl der Toten und der Einsatzfähigen ein entscheidender Faktor in der Erfolgsrechnung. So wird selbst der Mensch zu Material in der Rechnung der Mächtigen.

Das moderne Credo heisst Produktion, Umsatz und Rendite. Besonders der durch wirtschaftliche Krisen im alten Kontinent Europa entstandene Ableger Amerika hat in dieser Beziehung eine neue Philosophie entstehen lassen, die heute weltweit durch Vormacht des Dollars massgebend ist. 88 % aller Geldgeschäfte laufen über den Dollar. Da diese Währung nicht abgesichert ist und eine Privatbank in New York steuert, ist die Macht der USA fundamental (siehe: Geld regiert die Welt).

Der ursprünglich erforderliche Pioniergeist in rauer Umwelt hat eine eigene Kultur geschaffen, die primär das gesamte Geschäftsleben beeinflusst. Die Devise heisst: „friss oder stirb“ und neuerdings: Amerika first!“ Es ist dies die Welt des big buisness. Dabei wurde das kulturelle Erbe von Europa zu einem bewunderten Stiefkind des alltäglichen Lebens, denn entscheidender Lebensfaktor ist das handfeste, wirtschaftliche Resultat, im wahren Sinne der Bedeutung des Wortes: „business“ Das beinharte Überleben der Pioniere im 19. Jahrhundert im neu erschlossenen Kontinent Amerika wurde prägend für den Lebensmodus des 19. und 20. Jahrhunderts, über Europa weltweit. Die gemütliche Biedermeierzeit ist einer hektischen Betriebsamkeit gewichen. Feierabend kennt in seiner Totale nur der Tod.

Auch städtebaulich ging die sogenannte „neue Welt“ neue Wege. Es entstanden die ersten Wohn- und Bürotürme von gigantischen Höhen. Der Begriff „Wolkenkratzer“ darf man wörtlich begreifen. Somit begann sich auch das urbane Leben zu verändern. Neben den horizontalen entstanden vertikale Verkehrswege. Die Kommunikation spielt sich nicht mehr auf einem Marktplatz oder der Strasse ab, im Laden um die Ecke oder einem Dorfladen. Die Information holt sich der moderne Mensch über sein Handy und elektronisch. Das urbane Leben ist anonymer, der Stadtbewohner ein einsamer Einzelkämpfer. Mit Clubs und Vereinen versucht man dagegen zu steuern. Der Sport, mehrheitlich im Verein betrieben, ist der Ersatz für die mangelnde körperliche Tätigkeit. Doch auch der Sport wurde kommerzialisiert. Die Durchführung in der freien Natur ist sekundär und wenn doch, ist es nicht dasselbe wie des Bauern Tätigkeit.

Je grösser die Agglomeration desto ausgeprägter sind diese Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Leben mit der Natur, desto schwieriger werden die Korrekturen und desto ausgeprägter werden die Veränderungen zum Landleben und desto differenzierter auch die Auffassungen, wie man glücklich lebt. Denn die Stadt ist ein rein künstliches Gebilde mit in sich geschlossenem Ablauf des täglichen Geschehens, im Austausch mit analogen Gebilden weltweit. Das Land bezieht sich auf die nächste Stadt und kaum auf andere Städte und ist somit selbst dadurch wesentlich heimatverbundener, schon im geographischen Sinne.

Mit dem Stadtmenschen ist ein neuer Typus von homo entstanden, weit entfernt vom ursprünglichen Jäger und Sammler. Der Instinkt wurde weitgehend ersetzt durch Verstand, die technischen Möglichkeiten scheinen unbegrenzt. Im Gegen-satz zum Tier, das sich durch Evolution der Umwelt einfügt, beginnt der Mensch die Umwelt durch sein Wissen zu beherrschen. Noch glaubt er, erfolgreich zu handeln.