Das nachhaltige Dilemma des Homo Sapiens

6. Weltbild des „weissen Mannes“

Selbst die Denkfabrik des WEF unter Professor Klaus Schwab erklärt die Devise als fundamental: investieren und konsumieren. Der bereits weiter oben aufgezeigte Rundlauf von der absoluten Notwendigkeit des Rundlaufes „Investieren, Produzieren, Verkauf, Verbrauch, Rendite und Re-Investieren“ gilt also als Wegweiser in die Zukunft. Es ist der Glaube an ein „Perpetuum Mobile“. Doch Tatsache ist, dass eine in alle Ewigkeit laufende Maschine unmöglich ist. Da nützen auch Verbesserungen nicht. Wer da noch Nachhaltigkeit propagiert, hat nicht seriös analysiert.

Die erfolgreichen Wohlstandsjahre um diese Jahrhundertwende mit einer zunehmenden Digitalisierung des täglichen Lebens, mit einer anscheinend sehr einfach abrufbaren Information zu allen Fragen des Lebens lassen die Komplexität aller Zusammenhänge vergessen. Anscheinend absolut logische Schlussfolgerungen können mit entsprechendem Eingreifen können genauso absolut negative Folgen im Endeffekt zeitigen. Die Natur reagiert nicht nach menschlichen Wertbegriffen. Das haben die Experimente des Biologen Bob Paine (1933-2006) und seiner international arbeitenden Forschungskollegen ergeben. Diese Ergebnisse werden subsumiert unter dem Begriff des „Konzeptes der Schlüsselarten“.

Paine hatte in einer abgeschlossenen Meeresbucht bemerkt, dass Muschelbänke von räuberischen Seesternen zunehmend dezimiert wurden. Er entfernte also alle Seesterne aus dieser Bucht. Die Muscheln nahmen wie erwarten wieder zu. Doch nach wenigen Jahren war die Bucht total verödet und alles Leben daraus verschwunden. Muscheln und Seesterne waren lediglich ein offensichtlicher Teil des Ökosystems dieser Bucht gewesen, doch die Zusammenhänge waren wesentlich verwobener und erst durch das durch diese Erkenntnis eröffnete Suchen ermöglicht worden. Weltweit durchgeführte Varianten dieses Versuches mit unterschiedlichen Tieren und Pflanzen bestätigten diese Erkenntnis: momentane Schädlinge in der Natur erzeugen Veränderungen¨, haben jedoch langfristig eine natürliche Aufgabe im Ökosystem. Der Mensch bewertet nur die momentanen Schäden, denn seine Beurteilung erfolgt nach den bekannten, gängigen Kriterien. Fressen und gefressen werden ist ein Gesetz der Natur, den dem Universum ist das Individuum egal, ganz im Gegensatz zu monotheistischen Lehren. Die Menschheit ist somit möglicherweise auch nur eine Episode im Universum. Der eitle Stolz der Wissenschaften trotz allem Fortschritten in Wissen und Technik überheblich. Das Anhäufen von Geld und Macht entsprechend dem radikalen Eingriff in die Seesternpopulation, eine Parallele, die im Endeffekt zu einer totalen Verödung des sozialen Verständnisses in der Wohlstandsverteilung führt. Alle Vorzeichen deuten darauf hin.

Somit wäre zu folgern, dass eine gerechtere Verteilung des Geldes die Lösung bringen könnte. Tatsächlich haben Versuche in Nordeuropa mit einem bedingungslosen Grundeinkommen wenig positive Erkenntnisse gebracht. Menschen finden nicht alle Ungleichheiten ungerecht, nicht alles muss gleich verteilt werden. So findet doch eine Mehrheit, dass Mehrleistung mehr Lohn verdient und somit gerecht ist. Denn beim persönlichen Anrecht ist zu unterscheiden zwischen arbeitendem Kapital, stillen Reserven und Erspartem, Gewinn und verstecktem Vermögen. Erfolgreiche Unternehmer sind allgemein geachtete Persönlichkeiten. Es sind die Finanzmanipulationen im reinen Interesse einer persönlich einträglichen Rendite, die den Verruf des Kapitals begründen. Es ist eine menschliche Eigenart, dass man Gewinn als persönliche Leistung betrachtet und somit ein volles Anrecht auf dieses Geld reklamiert. Doch hier entzündet sich der politische Streit. Wie gross ist das Anrecht jedes Mitbeteiligten auf den monetären Erfolg? Auch der Käufer ist Seite mitbeteiligt. Sein Anrecht begrenzt sich auf die Nutzung des Produktes. Doch schon bei Defekten begrenzt sich der Handel nicht bloss auf den Kaufpreis. Je komplizierter das Produkt, desto schwieriger wird die Bewertung der persönlichen Leistung, somit einen gerechten Anteil am monetären Gewinn. Noch extremer wird diese Bewertung bei den heute üblichen Dienstleistungen. Just in diesen Branchen sind phantastische Entschädigungen üblich geworden und gelten als Beweis für die rücksichtslose Mentalität der führenden Eliten.

Es ist nicht mehr der Arbeitsaufwand, der die Kosten für die gebrachte Leistung bestimmt, sondern der rein spekulative Vorteil. Mit dem Aufkommen des Welthandels hat sich eine immer raffiniertere Handelskultur durch das Banken und Kreditwesen entwickelt. Mit dem Wegfall der ursprünglich absoluten Bedingung, den geschuldeten Betrag persönlich und in gegenständlichem Geld vorweisen zu müssen, genügen seither immer mehr rein buchhalterische Massnahmen zur Begleichung einer Rechnung. Damit wurden Geldgeschäfte manipulierbarer und diskreter, Geldflüsse führen zu Überschwemmungen des Marktes durch internationale Ware und entglitten einer direkten Kontrolle. Somit ist offiziell unbekannt, wie hoch weltweit die Summe des versteckt deponierten Geldes ist, vor allem in den verbliebenen Inselkolonien der Grossmächte. Man vermutet astronomische Summen. Dieser versteckte Reichtum fehlt vor allem in der Balance zwischen arm und reich.

Der Begriff eines besseren Lebens durch allgemeine Sicherung der Existenzen für alle, unter begrenzter Nutzung von übermässigem Eigenbesitz, wäre wohl eine Lösung denkbar. Die Konzentration enormer Geldbeträge in wenige Hände, entzieht der öffentlichen Hand in Demokratien sozialen Spielraum. Ein sicher unbestrittenes Beispiel sind die steuerbefreiten Weltmarktunternehmen wie Amazon, Google und andere amerikanische, monopolistische Marktbeherrscher, deren Besitzer zu den weltreichsten Milliardären zählen. Die Folgen eines Monopols in einer Hand sind hier beispielhaft zu sehen. Trotz Kritik reagiert bisher die politische Mehrheit der Menschen machtlos, eher hilflos, trotz Religion, Recht und Sozialismus. Bei Macht und Geld hört jede Brüderlichkeit auf. Von dieser Utopie ist man noch weit entfernt! Der Mensch beansprucht Besitz und einen Machttitel als Status gegenüber seinen Mitmenschen. Der Titel beispielsweise eines Staatspräsidenten genügt, um weltweite Akzeptanz zu erhalten, egal ob man menschlich qualifiziert ist. Macht und Materialismus scheinen natürliche Gene der Menschen zu sein, wie Gier und Habgier. Recht dagegen muss im Interesse der Menschlichkeit immer wieder erkämpft werden.

Noch gibt es eine eigene Welt der Kunst und der Philosophie. Eine eigene Welt abseits der Geschäftswelt im Hamsterrad von Produktion und Konsum. Es ist eine Art von Gegenwelt, in der die zählbaren Werteinheiten weder Geld noch Devisen sind. Denn die Grundbegriffe wie Ästhetik, Ethik, Moral und Menschenliebe sind immaterielle Werte. Natürlich werden gerade in der Kunst Meisterwerke zu Handelszwecken missbraucht, da der raffgierige, machtorientierte Egoist auch abstrakte Werte materiell beurteilt. Seine Freude ist der Marktwert, der Seltenheitswert und weniger die Kunst an sich. Der Künstler als Bote einer Welt der Sinne, sieht seine Arbeit nie als Konsumware. Sein Beitrag betrifft eher das Seelenleben. Doch da die Wissenschaften im Körper des Menschen kein bestimmtes Organ für die Seele finden kann, wird der „Wert“ der Kunst auch nach dem irdischen Seltenheitswert festgelegt und weniger nach der Bedeutung für die menschliche Welt der Phantasie und der Gefühle. Hässlichkeit und Schönheit erhalten dadurch die gleiche Bedeutung wie gut zu handeln oder zu sündigen. Die Beurteilung erfolgt nach den aktuell gültigen Massstäben des Marktes, als deponierter Gewinn für eine imaginäre Welt. Das Mass aller Werte ist und bleibt das Geld. Dies ist das Credo des materiellen Kapitalismus. Am ausgeprägtesten vorgelebt und gesteuert durch den aktuellen Marktführer und Garanten der Weltwährung USA. Doch gerade im Universum ohne Renditedenken verbirgt sich noch die Möglichkeit der absolut persönlichen Freiheit. Die Welt der Kunst und der Philosophie ist die geistige Unabhängigkeit vom weltlichen Mainstream und dem Warenmarkt der Werte. Es ist die Erfüllung seiner Träume von einem Paradies auf Erden. Für einen Materialisten unverständlich, jedoch die einzige mögliche Befriedigung einer menschlichen Sehnsucht. Denn Materialismus und Gier nach Besitz.

Zum besseren Verständnis dieser zwei Denkwelten können buddhistische Gleichnisse dienen:

Blume: die prächtige Rose besteht aus Stängel, Blättern, Blütenblättern Staubgefässen und einem Stempel; zerlegt kann sie genau spezifiziert werden, doch alle Schönheit ist weg und sie ist keine „Blume“ mehr.

Der Wert des Topfes: der Topf kann aus edlem Porzellan, Silber oder gar Gold gefertigt sein. Auch der Name des Produzenten kann seinen Warenwert steigern. Doch der wahre Wert ist seine innere Leere. Man kann den Topf füllen und wieder leeren und wieder füllen, Kostbares aufbewahren für schlechte Zeiten. Es ist ein Wert unabhängig von der aktuellen Geldwertskala. So definiert ist der Milliardär ein reines Gelddepot für eigene Investitionen zur Vermehrung seines Vermögens. Sein innerer Wert als „Behälter“ ist und bleibt immer bereits: „gefüllt“ und nutzlos.