Das nachhaltige Dilemma des Homo Sapiens
1. Anfang
Schöpfungsgeschichten gibt es weltweit. Es sind Versuche, das Wunder des Lebens inmitten eines quasi chaotischen und lebensfeindlichen Universums zu erklären, in Konkurrenz zum Wissen der Chemie und der Biologie. Zudem sollen sie die aussergewöhnliche Stellung des Menschen in der Menge der Lebewesen rechtfertigen, die zum erstaunlichen „homo sapiens“ als Weltbeherrscher geführt hat. Doch in diesen tausenden von Jahren bis heute hat sich dieser Titel des „weisen Menschen“ nur teilweise bestätigt, denn bekanntlich kommt der Appetit mit dem Essen. Noch in keiner Epoche war die Gier nach immer mehr so gross wie in den letzten 2oo Jahren. Die industrielle Revolution hat diesen Quantensprung ermöglicht. Es ist eben dieser homo, der sich eine neue, doch unnatürliche Welt erschaffen will. Professor Y. N. Harari nennt ihn in seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ homo deus. Dieser ist jedoch weit entfernt von göttlicher Allmacht und Weisheit. Es zeigen sich krasse Fehlentwicklungen, bei denen der Mensch grosse Mühe hat, sie zu beherrschen oder gar zu korrigieren. Trotz enormen Wissen und Können bleibt er Gast auf Erden und seine Werke sind vergänglich. Wie eben er selbst es ist und bleiben wird. Nachhaltig ist bisher nur der Schaden, den er angerichtet hat, denn was zerstört wurde in der Natur, ist meistens definitiv und durch nichts zu ersetzen, höchstens auf Zeit zu überspielen.
Aus dem Chaos entstanden Lebewesen: die Bibel erfand die klare Formel: “Und Gott schuf“. Dabei wird die Reihenfolge für dieses Wunder klar vorgegeben. „Und Gott machte die Tiere, ein jedes nach seiner Art“.(1. Mose 1. 25). Bedeutend wurde die Gattung der Affen. Doch in weiser Voraussicht hat die Evolution nur eine Kreatur mit einem weiter entwicklungsfähigem Gehirn ausgestattet. Man schätzt, dass diese Trennung von der Gattung der Affen vor 2 Millionen Jahren stattgefunden hat. Und dieser homo beschloss Weltherrscher zu werden, die Natur zu seinen Gunsten zu nutzen. Er wurde Jäger und Sammler, noch auf der Stufe der Tiere. Doch hier setzt die erweiterte Denkfähigkeit ein, denn auf die Dauer war dieses „Hand in den Mund“ leben zu sehr von Zufall und Gefahren abhängig. Der Mensch begann weiter zu denken als es die Tiere vermögen. Was bisher nur der Natur möglich war, nämlich das Erschaffen von Neuem, erhielt eine Konkurrenz.
Von epochaler Bedeutung war jedoch der Entschluss, für alle Zeiten auf zwei Beinen zu stehen und zu gehen. Neben der Übersicht des Jägers wurden damit die Vorderpfoten frei und wurden damit die ersten Werkzeuge des Menschen. Dies bedeutete der Einstieg in die künstliche Welt der Produktion. Diesen fundamentalen Schritt haben die Affen nie getan und blieben bis heute Affen. Beim Menschen hingegen änderte sich mit dieser Aktivierung des Gehirns und damit des gesamten Denkprozesses seine gesamte Weiterentwicklung im Dasein auf Erden. Seit den Ausgrabungen im afrikanischen Jebel Jrhoud vermuten die Paleopanthologen, dass es wahrscheinlich eine Grenze der Entwicklung des menschlichen Gehirns nicht gibt. Noch ist unbestimmt, ob zu seinem Vorteil oder Untergang. Er begann seine eigene Welt zu erschaffen. Doch während die Evolution auf einer ihr eigenen Logik der Gesetzmässigkeit, die vor allem dem Überleben auf Erden dient, ist der Hauptzweck der menschlichen Neuerungen die Verbesserung zivilisatorischer und produktiver Möglichkeiten. Ein Ziel ist stets die Vereinfachung der Arbeit und eine Steigerung der Lebensqualität. Denn nur sehr wenige Menschen sind fähig, ein mönchisches Leben zu führen.
Um in der Folge spitzfindig unnötige Diskussionen zu vermeiden, sei hier eingeflochten, dass in diesem Text Sammelbegriffe wie Mensch, Bürger, Konsument und analoge nie nur auf das männliche Geschlecht allein bezogen sind. Der Sinn und die Absicht des Wortes ergibt sich aus der Sprache (Ludwig Wittgenstein 1889 – 1951).
Auch ist eine kaschierte Rückentwicklung von Moral und Ethik wieder in Richtung der ursprünglich verdrängten tierischen Instinkte unverkennbar. Der Mensch malträtiert nicht nur die Umwelt, er malträtiert seine Mitmenschen. Als vor 12000 Jahren die landwirtschaftliche Revolution begann, entdeckte der Mensch gar bald den Vorteil, dass man neben Landbesitz auch Tiere domestizieren kann. Neben Produkten der Ernährung und der Kleidung, des Arbeitseinsatzes und anderen nützlichen Lebenshilfen für den Menschen wurde das Prinzip der Versklavung entdeckt. Es konnte auch auf Mitmenschen angewandt werden. Der totale Besitz in die totale Abhängigkeit eines Besitzers ist ein bis heute umstrittenes Recht. In verschiedenen Religionen, in Philosophien und in der Politik sind Verbesserungen erfolgt. Kolonien wurden zwischen 1960 und 1980 bis auf den Rest von 16 abgeschafft und damit wurde die Gleichwertigkeit der Rassen anerkannt. Doch gleichwertige Gerechtigkeit ist global bis in die Neuzeit nur teilweise realisiert. Die 17 afrikanischen Kolonien, die 1960 frei kamen, haben bis heute den Anschluss an die heutigen Voraussetzungen für eine konkurrenzfähige Wirtschaft nicht gefunden und wälzen ihre Probleme als Wirtschaftsflüchtlinge in die Industrienationen ab. Noch 10 Territorien sind im Besitz von England, Frankreich und den USA und dienen vor allem als militärische Stützpunkte oder als Offshore – Finanzplätze für grosse Vermögen, dank Steuerhinterziehung und unkontrollierbaren Manipulationen, auch dank elektronischen Möglichkeiten. Die modernen Hilfskräfte sind von menschlichen Sklaven auf den Einsatz von massiven Geldmitteln und Maschinen übergegangen. Die Moral hat sich kaum verbessert.
Besonders in der Welt der Tätigkeiten bekam der Begriff des Eigenbesitzes eine fundamentale Bedeutung und damit auch seinen Einfluss auf das politische und gesellschaftliche Verhalten. Heute wird daher der Wert einer Tätigkeit nicht allein nach seiner Qualität bewertet, sondern nach seiner Profitabilität. Auch der Wert eines Menschen ist eine Bewertung durch die Gesellschaft und variiert gemäss seiner absoluten Unabhängigkeit vom täglichen Marktwert. Diese Denkweise hat eine rein künstliche Welt erschaffen: die des Kapitalismus. Vor allem im neu durch Europa geschaffenen Ableger USA und dem industriellen Wachstumsschub während des ersten Weltkriegs, basierend auf dem durch die Sklavenhaltung angehäuften Finanzen, hat den Dollarkapitalismus ermöglicht. Doch global neu entwickelte sich neben den Grundrechten sukzessive ein sozial gerechteres Denken. Heute ist dieses nicht mehr aus dem politischen Prozess auszuklammern. Die religiösen Lehren dagegen geraten durch ihren jeweils alleinigen Anspruch auf Wahrheit vermehrt in ein Zwielicht. Doch etwas wurde erreicht: noch nie war das Rechtsbewusstsein für das Individuum im Gegensatz zur Persönlichkeit grösser als heute. Leider fehlen vor allem in der Geschäftswelt und im Kapitalismus menschenwürdigen Gesetze (zum Beispiel gegen das amerikanische Prinzip des hire and fire), die ein reibungsloses Funktionieren ausserhalb jeder Versklavung regeln könnte, der notwendige Schritt zur Überwindung des Tieres im Menschen zum Homo sapiens. Doch es wäre verfehlt, die alleinige Schuld auf eine Lehre abzuschieben. Unbestreitbar lösen unerwartete Krisen Denkprozesse aus. Doch solange alles gut geht, ist allen wohl wie der Made im Speck und es geschieht wenig. Mit der globalen Coronakrise jedoch scheint einiges ins Rutschen zu geraten. Doch wenig ist schwieriger als einen Mainstream umzulenken zu neuem Verständnis.