Das nachhaltige Dilemma des Homo Sapiens
9. Der Pfad
Ein kapitalistisches Virus, das die gesamte Menschheit befallen hat und massgebend an der heutigen Krisensituation wirkt, ist die Forderung, dass alles durch Einsparungen an der Leistung billiger wird, egal ob Qualität, Nachhaltigkeit und der Mensch darunter leiden. Denn billiger ermöglicht mehr Konsum, Befriedigung seiner eigenen Gier und fördert den Konkurrenzkampf unter den Anbietern. Es ist nicht der Beste, der gewinnen muss; es ist der Billigste. Dass in der Folge horrende Nachzahlungen erfolgen können, leistet sich nur die öffentliche Hand. In Deutschland ist dies in neuerer Zeit zum Beispiel an einigen Grossprojekten offenkundig geworden.
Mit der industriellen Massenfertigung nahm auch die Überzeugung zu, dass durch Verbilligung der Einzelstücke ein Besitz grossflächig ermöglicht wird, was erfahrungsmässig das gesellschaftliche Ansehen verbessert was wiederum in der Folge den Absatz der Billigware steuert. Diese Preisdrückerei hat in der Konsequenz die Qualität der Erzeugnisse stetig vermindert, so dass „Reparaturen“ und Langlebigkeit nur noch bei Menschen gefragt sind. Unter Einbezug der stetig wachsenden Überbevölkerung stellt sich die immer wiederkommende Frage, ob sich die Menschheit auf Erden diese Politik leisten kann. Nur Egozentriker, die nach dem Motto: „Nach mir die Sintflut“ handeln und steinreiche zukünftige Auswanderer in die Galaxie können das anders sehen. Deren Glaube an die zukünftigen Möglichkeiten der Technik ist unbegrenzt und oftmals eher abenteuerlich. Es wäre vernünftiger auf dem Boden der Erde zu bleiben, denn da sind wir und nur da sind wir zu Hause.
Es ist schwierig, ein überzeugendes Fazit aus all diesen Teiluntersuchungen zuziehen. Nur eines ist eine absolute Notwendigkeit: diese Welt der letzten hundert Jahre muss sich ändern! Nicht wie es ein Führer plant, nicht wie es eine Geldmonarchie sich wünscht, nicht über ein Weiter in der Überproduktion von Waren und einem Leben in einem vorgegaukelten Luxusghetto und auf der Gegenseite in ärmlichen, unsicheren Verhältnissen. Anderseits ist eine vollkommen gerechte Nivellierung der sozialen Klassen durch monetäre Egalisierung undenkbar, da Leistungsunterschiede mehrheitlich anerkannt und somit entsprechend vergütet werden dürfen. Doch da ist noch der eben beschriebene Virus.
Somit gibt es nur eine Lösung diese Dilemmas: der Stärkere sorgt für den Schwächeren, der Wohlhabende für den Mittellosen. Eine neue Erkenntnis ist dies nicht, denn alle Religionen predigen diese Weltordnung seit 2000 Jahren. Doch gesagt ist bekanntlich noch lange nicht getan. Notwendig ist die Akzeptanz, die Erkenntnis, ja die „Erleuchtung“ durch diese Lehren und deren Umsetzung im Alltag ohne Wenn und Aber. Denn ohne Nächstenliebe auch im Denken und Handeln der führenden Eliten ist keine sichtbare Veränderung auf dem Weltmarkt zu erwarten. Dabei muss auch die lächerliche Opposition durch politische Machtansprüche von rechter und linker Ideologie vergessen werden, wenn es um Menschlichkeit geht und einer minimalen Gerechtigkeit. Unter dem Titel „zivilisiertes Kulturvolk“ dienen solche politischen Spiegelfechtereien nur dem Eigeninteressen und leugnen den von ihnen geschworenen, demokratischen Auftrag. Gerechtigkeit ist keine politische Forderung, sondern Fundament jedes friedlichen Zusammenlebens.
Alle diese Forderungen sind nicht neu – was an sich peinlich genug wäre. Doch wie in jeder gerechten Sache liegt ihre Aktualität in der ständigen Veränderung und Anpassung an den Augenblick. Denn der Mensch reagiert auf Neues mit seinen Erfahrungen, doch neu heisst ja gerade: keine Erfahrung. Daher setzt hier das Denken ein. Bisher hat der Fortschritt darin bestanden, eine adäquate Verbesserung des bisherigen Problems zu finden. Dies ist, was man Entwicklung nennt. Doch Fortschritt muss eine Entwicklung sein, die die Menschheit zu verbesserten Lebensbedingungen, doch auch ethisch und moralisch Höherem führt. Nichts Neues und trotzdem aktuell wie eben auch die alten Lehren. Das heutige Primat von Technik und Handel muss abgelöst werden durch die Devise: Der Mensch zuerst! Da die Verehrung des “goldenen Kalbes“ kaum abgeschafft werden kann, die Überproduktion und seine verheerenden Folgen als Grundlage der gültigen Lohnpolitik bleiben wird, muss zur Neutralisierung der sich anbahnenden zivilen Katastrophe ein neuer Pfad ins Gestrüpp der Unzahl von Heilslehren geschlagen werden. Der primitive Glauben an eine goldene Zukunft durch Fortschritte der Technik mag in Silicon Valley herrschen, doch wo bleiben die übrigen Eliten?
Alle wissen es und keiner prescht vor. So zum Beispiel der Warnruf des französischen Notenbank-Gouverneurs: „Durch die Zerstörung ganzer Ökosysteme in unserer arbeitsteiligen Wirtschaftswelt kommt es zu schockartigen Inflationsschüben“. Wie ein Hilferuf eines ertrinkenden Schwimmers. Die Hilflosigkeit der bestimmenden Eliten ist bedenklich. Von grosser Bedeutung wird daher der Schulsack sein, der den heute trotz teilweise grossem Wohlstand rebellierenden Jugendlichen mitgegeben wird. Niemand scheint besser zu ahnen, was in der Zukunft zu erwarten ist, als der, der es ausbaden muss. Kein Heutiger wage zu behaupten, dies sei übertrieben. Allein schon der monetäre, weltweite Schuldenberg, der in den letzten 100 Jahren aufgetürmt wurde, ist schon eine Katastrophe, von den Umweltsünden nicht zu reden. Es ist ungeheuerlich, was sich die heutigen Generationen erlauben. Um weiter wie gewohnt wursteln zu können, ohne zu grossen Verzicht auf Verzichtbares. In den Industrieländern hat sich eine satte Grossbürgerschaft entwickelt, die wie einstmals die Sozialisten alles über den Staat regulieren wollen. Es wird Geld aufgenommen und neu gedruckt, weil man das Recht hat, so weiter zu leben wie man gewohnt ist. Es braucht Katastrophen, um das Gegenteil zu beweisen. Mit den zu erwartenden Pandemien zeigt sich ein Fanal an der Wand.
Noch können wir Lebenden einen Weg zeigen, der eine würdige Zukunft ermöglichen könnte und unsere Schuld relativieren. Wir sind es der Nachwelt schuldig, denn Schuldige sind wir bereits. Machen wir uns an die Arbeit. Diese Artikel sollen mithelfen durch eine vielschichtige Ausleuchtung der Begriffe und Werte eine Basis für weitere Arbeiten und Diskussionen zu liefern. Ein Verzeichnis der Arbeiten soll dabei hilfreich sein. Doch entscheidend ist, dass jeder nachdenken lernt und sich nicht bloss elektronisch informiert, was andere vorgedacht haben. Dieses moderne
Sklaventum des Konsums und des Geldes, in jeder Beziehung im Dienste eines gesteuerten Marktes von Sehnsüchten und künstlich geförderten Illusionen, kann kaum glückliche Menschen ergeben. Denn Gier gebiert immer neue Kinder. Doch nur der restlose Verzicht bis auf ein Minimum an Luxus ist und bleibt der Gegenpol eines satten Lebens in der unseligen Illusion, dass der materielle Wohlstand die Garantie für eine gesicherte Zukunft sei. Bislang hat man keinen wirklich grundlegenden Effort zur Erreichung einer stabilen Nachhaltigkeit gesehen. Es wird in den alten Prämissen mit Verträgen in alten Theorien weitergewurstelt.
Einen Garten Eden auf Erden gibt es nicht, jedoch ein lebenswertes Dasein für jedermann sollte möglich sein. Die Fortschritte der letzten 200 Jahre sind zu überdenken, um die unbestreitbaren Fortschritte in Wissen und Technik in eine nachhaltige Zukunft zu steuern. Niemals in ein zentral gesteuertes Meganopolis mit einer despotischen, materialistischen Machtelite im alleinigen Besitze aller Informationen! In eine soziale, globale und humane Menschengemeinschaft! Das sei unser Ziel!
Brüder und Schwester der Erde: vereinigt Euch!
Seengen, den 18. Dezember 2020/ 2021 Krisenjahre der Corona Pandemie
Heinz Waser